Sehr geehrter LH Platter, sehr geehrter LH-Stv. Geisler, sehr geehrte LH-Stvin. Felipe,
im naturschutzrechtlichen Bescheid zum Kraftwerk Tumpen-Habichen wird über viele Seiten dargelegt, wie wertvoll die Achstürze sind. Wie ist es möglich, dass am Ende dieser Ausführung 'bewilligt' steht?
Hier die Auflistung einiger Kernpunkte - bei weitem nicht aller, die wir aus dem naturschutzrechtlichen Bescheid abgeschrieben haben:
Die Ötztaler Ache ist der größte Gletscherfluss Österreichs (S.24). Die Ausleitungsstrecke trifft einen "sehr seltenen Gewässernaturraumtypen" laut Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols (NSPF) (S.31), das Steilstück ist außerdem dem Biotoptyp „gestreckter Gebirgsfluss“ zugeordnet, welcher laut der Roten Liste gefährdeter Biotoptypen in Österreich als „stark gefährdet“ eingestuft und durch das Tiroler Naturschutzgesetz geschützt ist (S.39). Laut NSPF wird die Ausleitungsstrecke als "sehr erhaltenswürdig/sehr hohe naturräumliche Bedeutung" eingestuft (S.31) und die betroffenen Gewässerabschnitte als „empfindliche“ und „einzigartige“ Gewässerstrecken ausgewiesen (S.32).
Für uns klingt dies, als würde einiges dafür sprechen, die Achstürze (oder den Tumpener "Gstoag") zu schützen. Haben Sie den naturschutzrechtlichen Bescheid gelesen? Das würden wir sonst empfehlen. Vielleicht stimmen Sie danach ja mit uns überein, dass das Kraftwerk Tumpen-Habichen nicht gebaut gehört.
Im Folgenden unsere Bedenken zum Bruch mit der EU Wasserrahmenrichtlinie.
Vorbereitende Bauarbeiten für das Kraftwerk Tumpen-Habichen an der Ötztaler Ache haben Mitte März begonnen, obwohl noch nicht alle Beschwerden dagegen gerichtlich abgehandelt sind. Würde es in Betrieb genommen, würden die Achstürze, die Gefällestufe zwischen Tumpen und Habichen, zur Ausleitungsstrecke.
Die Achstürze sind laut 'Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols' (1) als 'einzigartig' eingestuft und gehören damit zu den nur 0,6% der Tiroler Fießgewässer mit diesem Status.
Zwei Zustandskomponenten der Hydromorphologie (Wasserhaushalt und Durchgängigkeit) der Ausleitungsstrecke würden von 'sehr gut' zu 'gut' verschlechtert (2)(3). Das Kraftwerk steht damit im direkten Konflikt zu den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtline (WRRL), wonach jede Verschlechterung von Gewässern verboten ist. Möglich ist ein solcher Bruch mit den EU-Umweltstandards nur, wenn ein 'übergeordnetes öffentliches Interesse' vorliegt(vgl. 7, S. 16 )(vgl. 8, S.10).
Das geplante Kraftwerk Tumpen-Habichen hat eine Engpassleistung von nur 14,48MW (die Grenze zur UVP Pflicht ist 15MW).
Es ist damit deutlich kleiner dimensioniert, als hier aus wasserwirtschaftlicher Sicht sinnvoll und möglich wäre (4). Hier wird also ein Gewässerabschnitt degradiert, ohne dafür wenigstens das vorhandene Energiepotenzial zu nutzen.
Für die Energieversorgung des Landes Tirols ist das KW Tumpen-Habichen unbedeutend. Die geplanten 61 GWh pro Jahr durch das Kraftwerk entsprechen einer Gesamtsteigerung um nur 0,88 Prozent. Gleichzeitig produziert Tirol mehr als 100 Prozent des im Land benötigten Stroms selbst und davon ca. 96% aus Wasserkraft (5)(6). Durch diese enorme Abhängigkeit von einer einzigen Energiequelle ist es auch energiewirtschaftlich äußert fraglich, ob ein weiteres Laufwasserkraftwerk, dass in derselben Zeit des Jahres Strom produziert, in der auch alle anderen Wasserkraftwerke arbeiten können, sinnvoll ist.
Angesichts all dieser Umstände, ist ein übergeordnetes öffentliches Interesse am Kraftwerk Tumpen-Habichen beim besten Willen nicht zu rechtfertigen. Damit gehe ich davon aus, dass hier ein Verstoß gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie vorliegt. Ich fordere die Tiroler Landesregierung auf, die Baustelle zu stoppen und den sinnlosen und skandalöse Kraftwerksplänen Tumpen-Habichen ein für alle Mal eine Absage zu erteilen!
Mit freundlichen Grüßen
Verein WET - Wildwasser Erhalten Tirol
Schickt auch eine E-Mail an die Landesregierung. Wir möchten sie wissen lassen, dass sie gegen die WRRL versößt!
Quellen und Links
Naturschutzrechtlicher Bescheid zum Kraftwerk Tumpen-Habichen (Link zur Website der Landesumweltanwaltschaft)
Land Tirol: Website zum Naturschutzplan Fließgewässer
(1) Amt der Tiroler Landesregierung (2006): Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols; https://www.tirol.gv.at/umwelt/naturschutz/naturschutzplan/
(2) ARGE Limnologie: Ergänzende gewässerökologische Stellungnahme betreffend EuGH-Urteil C-461/13 vom 1.7.2015 ("Weserurteil")
(3) Oberflächenwasserkörper Nr. 305070073 laut WISA; https://maps.wisa.bmlrt.gv.at/gewaesserbewirtschaftungsplan-2015
(4) Bescheid "Wasserkraftanlage Ötztaler Ache, Tumpen – Habichen;
Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000", S. 4; https://www.umweltbundesamt.at/uvp_fest_online/
(5) http://www.tiroler-umweltanwaltschaft.gv.at/fileadmin/userdaten/dokumente/Anwaltschaft/Stellungnahmen-und-Beschwerden/LUA-0-4.1-32-25-2020_KW_Tumpen-Habichen_abschlStellungnahmeLUA.pdf
(6) http://www.tiroler-umweltanwaltschaft.gv.at/naturschutz/tiroler-fliessgewaesser-unter-strom/
(7) WWF und Ökobüro: Umsetzung des Verschlechterungsverbots gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie in Österreich im Bereich Wasserkraft; https://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=3258
Foto: Katja Jemec