What’s up Kaunertal? Eine Kraftwerkserweiterung, die den Rahmen sprengt

What’s up Kaunertal? Eine Kraftwerkserweiterung, die den Rahmen sprengt

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Die TIWAG plant das bestehende Speicherkraftwerk Kaunertal zu erweitern. Diese Pläne sind nicht neu, aber nach wie vor brandaktuell. Wir werden in den kommenden Wochen erklären, wie genau diese Ausbaupläne aussehen, welche negativen Folgen zu erwarten sind und warum sich WET gegen diesen Ausbau einsetzen wird. Im Folgenden findet ihr einen Überblick über das bestehende Kraftwerk Kaunertal und was die Ausbaupläne umfassen.

Das bestehende Kraftwerk

Das Speicherkraftwerk Kaunertal wurde in den 60er Jahren gebaut und wird aus einem großen Stausee (Gepatschspeicher) gespeist. Es werden 11 Bäche aus 3 verschiedenen Einzugsgebieten in den Stausee, bzw. direkt in den Druckschacht, geleitet. Um Strom zu produzieren wird das Wasser über einen ca. 13km langen Druckstollen zum Maschinenhaus in Prutz abgelassen (736m Höhendifferenz, 122m³/s Ausbauwassermenge). Danach wird das Wasser in den Inn geleitet. Je nach Speicherstand hat das Kraftwerk 325 – 392 MW Leistung und eine Regeljahreserzeugung von 661 GWh. Mehr technische Daten zum Kraftwerk finden sich in der TIWAG Broschüre zum KW Kaunertal und auf der Webseite der TIWAG.

Der geplante Ausbau

‚Ausbau‘ und ‚Erweiterung‘ klingt ja zuerst einmal unschuldig genug – das Kraftwerk steht ja schon, ‚the damage is done‘, was spricht dagegen, es zu erweitern um die vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen? Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass hinter diesem Ausbau ein Megaprojekt steckt, das sich vom hinteren Ötztal über das Platzer- und Kaunertal bis nach Imst erstreckt – wo es dann in ein weiteres Projekt greift, das wiederum den Inn bis nach Haiming betrifft. So kurz wie irgend möglich betrachtet heisst das folgendes:  

  • 2 Tiroler Wehre als Wasserfassungen am Königsbach und Ferwallbach ((5) S. 8)
  • 2 Betonsperren (je 25m hohe Gewölbemauern als Wasserfassung an der Gurgler sowie Venter Ache) ((5) S. 8)
  • Degradierung der Venter Ache, der Gurgler Ache und der Ötztaler Ache zu Restwassergerinnen und die damit verbundenen massiven Eingriffe in den Wasserhaushalt des gesamten Ötztals ((7) S. 4) – insgesamt werden ca. 90 Flusskilometer zu Restwasserstrecken
  • ein neuer Speichersee im Platzertal mit einem Nutzinhalt von rund 42 Millionen Kubikmeter und einem 119m hohen Staudamm ((3) S. 1)
  • Zerstörung des Platzertal-Hochtales, und insbesondere von 6,3 Hektar Moorlandschaft
  • 3 neue Kraftwerke (Versetz, Prutz 2 und Imst 2) ((5) S. 4)
  • 4 neue Tunnel von insg. ca. 47km Länge ((5) S. 4, 5 und 8) 
  • Zerstörung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Inns auf rund 4,2 Kilometern Länge ((7) S. 4)
  • Errichtung zahlreicher Baustellen und Bauhilfseinrichtungen während der jahrelangen Bauphase und verschiedenste Begleitmaßnahmen wie z.B. riesige Schwallausgleichsbecken oder Materialdeponien mit einer Gesamtfläche von 16,8 Hektar ((3) S. 2 & (7) S. 1)

Kurz gefasst – es fällt uns schwer, uns kurz zu fassen. Schaut euch die Grafik an, um einen Überblick zu bekommen, wie riesig die Ausbaupläne sind!

Unsere wichtigsten Bedenken

Die Ausbaupläne sind so enorm, dass wir hier nicht alles umreißen können. Deshalb hier die Punkte, die uns zur Zeit am wichtigsten erscheinen:  

Ausleitung Venter und Gurgler Ache

Die Venter und Gurgler Ache werden ausgeleitet, hierzu wird ein Stollen von insgesamt ca. 23km länge von Gurgler und Venter Ache bis zum Gepatsch Stausee gebaut, der eine Wassermenge von 82m³/s überleiten kann ((3), S.1). Es werden 80% des Wassers der Venter und Gurgler entnommen, bis zu 29m³/s aus der Gurgler und 50m³/s aus der Venter Ache ((4), Abschnitt 1.4.2.1), außerdem 85% des Wassers von Königsbach und Verwallbach ((5), S. 152). Außer in den Monaten Dezember bis April, in denen der Sockel 2m³/s beträgt. Hiermit soll sichergestellt werden, dass im Winter weiter Flussabwärts genug Wasser für Beschneiung vorhanden ist ((5), S. 152, 153) Richtig gelesen – Willkommen in Tirol, an die Beschneiung wurde natürlich gedacht! Das bedeutet, dass die Ötztaler Ache bis zu 80m³/s weniger Wasser führen wird. Für KajakfahrerInnen sind damit die Auswirkungen des Ausbaus KW Kaunertal so katastrophal, dass wir das Thema in eigenen Beiträgen behandeln werden. Laut Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HASP) ((5), S. 101) verkürzt sich selbst die Rafting Saison auf der Unteren Ötz auf 3 Wochen pro Jahr. Laut Naturschutzplan Fließgewässer Tirol haben die Venter und Gurgler Ache eine wichtige naturräumliche Bedeutung: sie sind als erhaltenswürdig bzw. sehr erhaltenswürdig eingestuft. Die Kühtrainschlucht der Ötztaler Ache kurz nach dem Zusammenfluss ebenfalls. Allein hier würden also wichtige Lebensräume beeinträchtig oder zerstört werden. Alle drei Flussökosysteme würden wohl schwer darunter leiden, dass sie zu Restwassergerinnen degradiert würden. Wir halten es weiterhin nicht für akzeptabel, dass sich ein Energieunternehmen derart massiv die Wasserrechte im Tal sichern darf. Dies umso mehr, da in Zukunft die Wasserreserven der Ötztaler Gletscher wegschmelzen und damit die üppigen Sommerwasserstände Geschichte sein werden. Viele Bauern im Ötztal machen sich Sorgen, dass sie in Zukunft nicht über notwendiges Wasser verfügen können ((6)).  

Fluten des Platzertals

Das Platzertal ist ein malerisches, unberührtes alpines Hochtal und Lebensraum für viele geschützte Tier- und Pflanzenarten. Bisher scheint sich die TIWAG allerdings nicht so viel Mühe dabei gegeben zu haben zu dokumentieren, welche Lebensräume welcher Arten sie hier zerstören würde und scheint auch verwirrt darüber zu sein, wie viel davon eigentlich: zum Beispiel hat sich die Größe des betroffenen Moores laut Angaben der TIWAG wie durch Magie fast halbiert (schaut hier: (7), S. 4 und (3), S. 7-8). Durch den neuen Stausee würden hier jedenfalls ca. 6,3ha (9 Fußballfelder) Moorlandschaft verloren gehen. Damit verstößt das Projekt nach Ansicht Tiroler Umweltanwaltschaft gegen die im Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention festgelegten Moorschutzbestimmungen ((7), S.3f ).  

Schwall und Sunk am Inn

Da der Inn zwischen Runserau und Imst (bzw. Haiming) in Zukunft ausgeleitet sein soll, wird argumentiert, dass dadurch die Schwall und Sunk Effekte der Kraftwerke am oberen Inn auf dieser Strecke verringert werden würden. Allerdings soll das vom Kraftwerk Kaunertal kommende Wasser zunächst in Prutz in den Inn geleitet werden. Die Schwallspitzen werden sich hier auf den ca. 4km zwischen Prutz und dem Wehr Runserau gegenüber dem derzeitigen Zustand nahezu verdoppeln ((7), S.3). Damit der Inn hier als ein solches Schwallbecken dienen kann, muss er zwischen Prutz und dem Wehr Runserau um ca. einen halben Meter tief ausgebaggert und flussbaulich gesichert werden. Außerdem wird das Wehr Runserau erhöht ((7), S.3). Den Fischen wird zum Ausgleich eine Liftanlage geboten und ein Umgehungsgerinne, das zum Teil als beleuchteter Tunnel verläuft ((3), S. 19) – hört sich an wie ein Aprilscherz, ist aber leider keiner.   

Quellen und Links

(1) TIWAG Broschüre „Saubere Energie für Tirol – Kraftwerk Kaunertal“

(2) TIWAG Website: Ausbau KW Kaunertal

(3) TIWAG- Tiroler Wasserkraft AG, Innsbruck; Ausbau Kraftwerk Kaunertal – Stellungnahme der Landesumweltanwaltschaft gemäß § 5 Abs 4 UVP-G 2000, 2012

(4) Berufung gegen den Feststellungsbescheid der Tiroler Landesregierung bezüglich des Vorhabens „Wasserkraftanlage Ötztaler Ache, Tumpen – Habichen“, 2013

(5) Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) – Kaunertal Expansion Project, 2017

(6) Freirad Radiopodcast Lichtgabel: Ötztal – Ohne Wasser, Regula Imhof, 2019

(7) TIWAG – Ausbau Kraftwerk Kaunertal (AK) – Stellungnahme des Landesumweltanwaltes zur vorliegenden UVE gemäß § 5 Abs 4 UVP-G 2000, 2019    

Titelbild: Venter Ache, © Katja Jemec, 2018  

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